Schwerkranke Menschen haben keinen Anspruch darauf, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Eilverfahren dazu verpflichtet wird, ihnen eine Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung zu erteilen.
Selbsttötung bezweckt
Der 58-jährige Antragsteller aus Meißen, der an Chorea Huntington sowie chronischer Leukämie leidet, hatte beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit Sitz in Bonn beantragt, ihm eine Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zu erteilen. Er berief sich auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, das nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben einschließe. Das Verwaltungsgericht Köln entschied zu seinen Lasten. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht nun zurückgewiesen.
Anforderungen nicht erfüllt
Zur Begründung hat der 9. Senat ausgeführt: Würde im Eilverfahren zugunsten des Antragstellers entschieden, könnten die Folgen beim Umsetzen des Sterbewunsches nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die hohen Anforderungen an eine solche Vorwegnahme der Hauptsache seien nicht erfüllt. Es lägen schon keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller sich frei für den Suizid entschieden habe. Angesichts der betroffenen hochrangigen Rechtsgüter und zur Verhinderung von Missbrauch sei – auch ohne eine bisher nicht erfolgte gesetzliche Regelung – eine besonders sorgfältige Überprüfung des autonomen Willens zur Selbsttötung geboten. Ob dafür stets ein psychiatrisches Sachverständigengutachten erforderlich ist, hat der Senat offen gelassen. Eine zuverlässige und umfassende Prüfung, ob der Sterbewunsch unbeeinflusst von einer psychischen Erkrankung, ohne Einflussnahme von Dritten und nach einer sorgfältigen Abwägung des Für und Wider entstanden sei, sei jedenfalls anhand der lediglich eigenen Erklärungen des Antragstellers nicht möglich.
Außerdem sei derzeit nach den im letzten Jahr ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts völlig offen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel gegenüber dem Staat bestehe. Insoweit stellten sich schwierige Rechtsfragen, die nicht im Eilverfahren geklärt werden könnten. Dem Antragsteller sei es auch zuzumuten, auf eine Entscheidung in der Hauptsache zu warten. Er leide zwar an einer schweren Erkrankung, befindet sich aber deshalb nicht in einer extremen Notlage. Sein Krankheitszustand sei nach seinem Vortrag nicht mit derart gravierenden körperlichen Leiden, insbesondere starken Schmerzen verbunden, die zu einem unerträglichen Leidensdruck führten und nicht ausreichend gelindert werden könnten. Außerdem habe sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Dezember 2020 die Möglichkeit Suizidwilliger, ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten Lebensende zu verwirklichen, infolge der Nichtigerklärung des Verbots der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung (§ 217 StGB) wesentlich verbessert. Suizidwilligen ist es danach vorerst zumutbar, nach Alternativen, also nach medizinisch kundigen Suizidbeihelfern und verschreibungswilligen und -berechtigten Personen, zu suchen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 9 B 50/21 (I. Instanz: VG Köln 7 L 1054/20)
Pressemitteilung des OVG-Münster vom 24.03.2021